Letzte Aktualisierung: um 16:05 Uhr

Interview mit Carsten Spohr, Lufthansa

«Kann mir C-Series bei Lufthansa Cityline vorstellen»

Lufthansa-Chef Carsten Spohr im Interview über Probleme bei Eurowings, den Bedarf nach mehr Langstreckenjets, mehr C-Series und die Kosten des neuen Blaus.

Nach der Pleite von Air Berlin hatten Sie ein paar ziemlich turbulente Monate. Nun scheint es etwas ruhiger zu werden. Täuscht der Eindruck?
Carsten Spohr: Es ist auch so noch genug los. Wir haben letztes Jahr 112 neue Flieger in die Flotte aufgenommen. Dieses Jahr kommt alle zwei Wochen ein neues Flugzeug hinzu. Das hohe Tempo gilt erst recht, wenn man sich innerhalb der Lufthansa-Gruppe Eurowings anschaut: Da sind die Kollegen gerade unter Höchstlast dabei, das Riesenwachstum zu stemmen – was natürlich auch mit dem Thema Air Berlin zu tun hat.

Aber nicht nur?
Nicht nur. Wir sind auch vorher bei Eurowings schon sehr schnell gewachsen.

Das schnelle Wachstum ging aber auf Kosten von Dingen wie der Profitabilität und betrieblicher Stabilität.
Tatsächlich war das Wachstum nach dem Ausscheiden von Air Berlin aus dem Markt höher priorisiert als die Optimierung der Profitabilität von Eurowings. Dennoch ist es uns gelungen, 2017 erstmals schwarze Zahlen zu schreiben. Und was die betrieblichen Herausforderungen betrifft: Man muss auch sehen, dass wir von einer zweistelligen Zahl Flugzeuge, als wir 2014 die Idee Eurowings hatten, bis Sommer des nächsten Jahres bei einer Flottengröße von 210 Flugzeugen ankommen wollen. Sowas gab es im europäischen Luftverkehr noch nie. Für die Ausbildungspiloten, die Techniker, die Crewplaner, für alle ist das in der Tat eine noch nie dagewesene Herausforderung.

Wir werden das Kostenziel bei Eurowings bis 2020 erreichen.

Sie haben selbst einmal als Vorbild bei den Kosten Easyjet genannt. Bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Die Stückkosten bei Easyjet liegen bei etwa 4 Cent, bei Eurowings bei fast 8 Cent. Details. Ist das machbar, ohne dass es Stress mit dem Personal gibt?
Wir zahlen bei Eurowings Löhne über Marktniveau und auch über dem vieler unserer Wettbewerber. Daher haben wir ja kein Problem, neue Mitarbeiter zu rekrutieren. Wir haben bei Eurowings alleine in den vergangenen zwölf Monaten rund 2000 neue Leute eingestellt. Die Vergütungen befinden sich auf Easyjet-Niveau, auch wenn ein Vergleich immer schwer ist. Der eine zahlt in den ersten zwei Jahren mehr, der andere später. Wir werden das Kostenziel jedenfalls erreichen, da bin ich sehr optimistisch.

Und wann?
Bis 2020 wollen wir das erreicht haben und wir sind auf einem guten Pfad, nach den Einmalkosten durch die Integration ehemaliger Air-Berlin-Kapazitäten die Kosten bei Eurowings zu senken. Bei einer Fluggesellschaft mit so viel Wachstum ist das natürlich einfacher. Wir stellen junge Leute ein und profitieren auch von Skaleneffekten. Parallel dazu laufen aber auch die Geschäfte deutlich besser, als wir es uns erträumt hätten. Lässt man die Einmalkosten weg, ist Eurowings auf einem erfolgreicheren Weg, als ich ihn mir vor vier Jahren hätte vorstellen können.

Und dass Ryanair nun mit Laudamotion auf dem Markt drängt und Tickets in ihren Kernmärkten zu Kampfpreisen verkauft, macht Sie nicht nervös?
Wir nehmen jeden Wettbewerber ernst. Aber wir lassen uns von niemandem nervös machen.

Gegenwind vom Personal und von Kundenseite gab es auch wegen der Integration von Brussels Airlines in Eurowings. Haben sich die Wogen da geglättet?
Man sitzt wieder zusammen und verhandelt. Das sehe ich insgesamt als gutes Zeichen.

Wir machen keine Spielchen.

Bei Austrian, Brussels und Swiss sitzen aber jetzt mit Alexis von Hoensbroech, Christina Foerster und Thomas Klühr Lufthansa-Leute an der Spitze. Machen Sie sich keine Sorgen, dass Sie auf diese Weise lokale Talente aus Österreich, Belgien und der Schweiz demotivieren?
In Belgien sitzen zwei Belgier in der Geschäftsführung, in der Schweiz ist eines von drei Mitgliedern Schweizer und Austrian hat einen österreichischen Finanzchef. Wir achten darauf, dass in der Geschäftsführung immer auch jemand aus dem jeweiligen Land vertreten ist. Lufthansa entwickelt sich aber zunehmend zum europäischen Unternehmen. Ich bin daher sicher, es ist nur eine Frage der Zeit, bis der erste Belgier, Österreicher oder Schweizer im Lufthansa-Vorstand sitzt – oder natürlich die erste Belgierin, Schweizerin oder Österreicherin.

Sie verfolgen bei Lufthansa eine Multihub-Strategie mit mehreren Drehkreuzen – und nutzen diese auch, um die Flughäfen gegeneinander auszuspielen. So sagten Sie etwa immer wieder, dass Lufthansa – sollte sich die Situation in Frankfurt nicht bessern – Kapazitäten nach München und Zürich oder Wien verlagern würde. Planen Sie das wirklich, oder ist das nur Drohkulisse, um Frankfurt Dampf zu machen?
Wir planen nicht, wir tun es ja. Wir haben erst gerade zwei weitere Boeing 777 für Zürich bestellt. Sowas kostet mal eben ein paar Hundert Millionen. Das zeigt: Wir machen da keine Spielchen. Wir orientieren uns daran, wo unser Kunde die beste Qualität erhält. Und daran, wo Lufthansa die geringsten Kosten hat. Das kommt ja am Ende dem Fluggast auch zugute, weil er diese Kosten nicht tragen muss.

Aber auch in Zürich und München werden Kapazitäten knapp.
Natürlich gibt es Grenzen. Aber ich kann mir auch in Zürich noch mehr Passagiere pro Flugzeug vorstellen. Wir haben mittlerweile 600 Flugzeuge im Multihub-System, da kann man einiges machen. Derzeit zum Beispiel bringen wir kleine Flieger nach Frankfurt, um dort die Slots zu sichern. Und wir haben Airbus A380 nach München verlagert und können die auch füllen.

Wenn es mit den A380 in München so gut läuft, heißt das, Sie wollen noch mehr Superjumbos nach München verlagern?
Das ist nicht ausgeschlossen.

Und mehr A380 für die Lufthansa-Flotte generell?
Das ist ausgeschlossen.

Der Airbus A380 hat bei uns mit 14 Stück eine gute Flottengröße.

Könnte Airbus irgendwas machen, um Sie da umzustimmen?
Wir gehen den Weg von größeren Drehkreuzen auf kleinere Drehkreuze. Der Airbus A380 hat mit 14 Stück bei uns eine gute Flottengröße.

Und wie sieht es mit dem A350 aus? Wollen Sie da noch mehr?
Erstmal haben wir insgesamt 59 Airbus A350 und Boeing 777-9 bestellt, das ist schonmal ein ganzer Brocken. Aber irgendwann wird es weitergehen und wir brauchen zusätzliche Flugzeuge der neuesten Generation.

Und das werden A350? Es ging das Gerücht um, dass Sie Ihre Boeing-777X-Order überprüfen. Haben Sie da zu viel bestellt?
Ich glaube, wir sind irgendwann eher gezwungen, noch weitere Flugzeuge zu bestellen. Wir haben eine Interkontinentalflotte von fast 200 Flugzeugen. Die offenen Orders können ganz klar nicht alle Flugzeuge ablösen, die wir heute haben. Irgendwann wird es weitere geben. Noch ist aber keine Vorentscheidung getroffen worden.

Es war mal die Rede von Planspielen, den A350 bei Eurowings einzusetzen. Ist das realistisch?
Das ist kein Planspiel, das ist ein Gerücht. Das Streckennetz von Eurowings ist mit Airbus A330 und A340 hervorragend abzudecken.

Auch auf der Kurz- und Mittelstrecke modernisieren Sie die Flotte. Allerdings stehen bei Airbus gerade 100 Flugzeuge ohne Triebwerke herum, weil die Hersteller Probleme haben. Wie sehr betrifft das Lufthansa?
Die langsamere Lieferung der Airbus A320 Neo und der C-Series von Bombardier ist mit ein Grund, warum wir unsere Wachstumsplanung für dieses Jahr abgesenkt haben. Wir haben deshalb ja auch entschieden, noch einmal sechs A320 mit der vorherigen Triebwerksoption zu bestellen – obwohl wir schon Neos haben. Das ist eigentlich unlogisch, aber es ging nicht anders, weil wir sonst das gewünschte Tempo bei der Flottenmodernisierung nicht hätten halten können.

Macht Airbus genug, um das alles wieder gut zu machen?
Davon gehe ich aus.

Ich kann mir die C-Series auch bei Lufthansa Cityline vorstellen.

Sie haben noch 30 Optionen für Bombardiers C-Series. Nun geht das Programm in Airbus auf. Erhöht das die Chancen, dass Sie die Optionen einlösen?
Wir haben den Schritt begrüßt, dass die C-Series zu Airbus geht, das bringt Stabilität. Das erhöht die Zukunftsfähigkeit des Programms. Wir sind mit dem Flugzeug zufrieden und es wäre sehr schade gewesen, wenn das Programm hätte eingestellt werden müssen.

Ist die C-Series auch für andere Airlines der Gruppe denkbar?
Ich kann mir die C-Series zum Beispiel auch bei Lufthansa Cityline vorstellen. Eine konkrete Planung dazu gibt es aber nicht.

Boeing erwägt, einen neuen Flieger zu bauen, der die Nische zwischen der 737 und dem Dreamliner schließt…
Unsere Leute sind mit in der Arbeitsgruppe bei Boeing, in der die Notwendigkeit an Spezifikationen für dieses neue Flugzeug ausgearbeitet wird. Aber das ist alles noch in einem sehr frühen Stadium.

Sie haben bei der Frage nach dem neuen Boeing-Jet mit Arbeitstitel 797 die Augen verdreht!
Weil es noch so lange hin ist. Es geht ja eher Ende des nächsten Jahrzehnts los. Es dauert sicherlich noch zehn Jahre, bis das erste Flugzeug ausgeliefert wird.

Aber grundsätzlich könnte das auch an Lufthansa gehen?
Wir haben immer Interesse und gucken uns alles an. Bei aller Bescheidenheit – wir sind die umsatzstärkste Airlinegruppe der Welt und haben nun American Airlines überholt. Es gibt daher eigentlich nichts, was wir uns nicht angucken. Bei einer Flotte von 800 Flugzeugen können Sie sich ja vorstellen, wie hoch unser Bedarf ist.

Vor etwas mehr als einem Jahr haben Sie die Zusammenarbeit mit Etihad Airways angekündigt. Damals hieß es, eine Ausweitung sei geplant. Wie sieht es da aus?
Wir haben uns da ja einiges vorgenommen – eine Kooperation im Catering, in der Wartung, Codeshare-Verbindungen, den Umzug von Etihad in die Lufthansa-Terminals. Und jetzt sind wir erstmal dabei, das alles mit Leben zu füllen. Mehr ist derzeit nicht angedacht.

Allianzen sind essenziell.

Etihad ist nicht die einzige Airline außerhalb der Star Alliance, mit der Sie zusammenarbeiten. Ein weiteres Beispiel ist Cathay. Sind Sie – wie einige Ihrer Kollegen – der Meinung, dass Allianzen auf Dauer nicht mehr nötig sind?
95 Prozent unserer Partnerschaften sind innerhalb der Star Alliance. Nur weil wir noch 5 Prozent außerhalb machen, relativiert das nicht die anderen 95 Prozent. Allianzen sind nicht mehr wegzudenken. Gerade für Airlines wie uns, die ab Drehkreuzen operieren, die nicht so ein riesiges Einzugsgebiet haben wie Paris oder New York, sind solche Verbünde essenziell.

Aber es ist so still um die Allianzen.
Naja – wann haben Sie das letzte Mal darüber geredet, dass Sie Luft atmen? Eben. Dennoch ist es essenziell.

Zuletzt noch eine Frage zur neuen Markenstrategie. Nur kurz nach der Vorstellung der neuen Bemalung musste das Blau angepasst werden – was ist da schief gelaufen?
Anders als andere Branchen können wir bei uns neue Dinge nicht in der Umwelt testen. Sobald wir das tun würden, würden Fotos auf Social Media landen. Wir mussten das also unter künstlichem Licht testen. Und dann haben unsere Crews auf aller Welt, aber auch ich selbst die Bemalung in verschiedenen Lichtverhältnissen gesehen und kamen zu dem Schluss, sie ist zu dunkel. Daher haben wir von unserer Lufthansa-Farbpalette ein helleres Blau genommen.

Führt das nochmalige Umlackieren zu Mehrkosten?
Kaum. Es sind ja noch nicht so viele Flieger betroffen. Jetzt machen wir erst alle anderen Flugzeuge und die ersten dann zum Schluss.

Sind Sie denn mit der Resonanz generell zufrieden?
Die Resonanz war natürlich hochemotional. Da war alles dabei von «endlich modernisiert Lufthansa den Außenauftritt» bis «gebt uns das Gelb zurück». Tendenziell stelle ich fest: Je jünger, desto mehr Begeisterung gab es fürs Neue, und je älter, desto mehr Kritik, etwa an der verringerten Präsenz des Gelb. Doch inzwischen haben viele auch bemerkt, dass die Farbe Gelb einfach akzentuierter eingesetzt wird und eben gar nicht verschwindet.

Ergänzung vom 12. Juni 2018: In der Frage zum Airbus A350 stand in der Antwort zunächst «erstmal haben wir 59 bestellt» – damit war die kombinierte Bestellung von Airbus A350 und Boeing 777X gemeint. Das wurde in der Antwort nun angepasst.